Benzin im Blut - Diesel als Leidenschaft

Wie alles anfing?

So wie bei den meisten Jungs unserer Generation, mit den ersten Matchbox-Autos im Sandkasten. Doch da war noch mehr: Wenn Mutter früh lüftete, dann war die Luft von warmlaufenden Dieselmotoren des benachbarten Getränkegroßhändlers geschwängert (und wir wohnten im vierten Stock!). Und wenn dessen Flotte ausschwärmte – man bedenke, aus der Garage kamen je vier mustergültig in den Firmenfarben lackierte Lastwagen in zwei Reihen – dann war das für einen kleinen Jungen beindruckend. Nachmittags war das Rangieren fremder, zum Umladen hereinkommender Lieferanten allemal interessanter als der angrenzende Fußballplatz. Und noch spannender, wenn man dem heimkehrenden Fuhrunternehmer einen Block weiter beim Waschen oder Reparieren seiner Lastwagen zusehen durfte. Ganz nebenbei wurde erwähnt, daß nun der alte Hanomag am Wochenende endlich mal zusammengeschnitten werden müßte und der „Dreikäsehoch“ klagte, das könne man doch nicht machen, den müßte man aufheben. Doch das sorgte nur für Gelächter. Samstags ging‘s mit Vater auf die Baustellen und so manche Ferienwoche verbrachte ich allein damit, daß er mich früh mit in den Straßenbaubetrieb nahm, einfach einem Kraftfahrer in Obhut gab und ich den ganzen Tag mit zu den Baustellen unterwegs war. Glücklich war ich, wenn es der stattliche H 6-Erzkipper aus ehemaligen Wismut-Beständen war, in dem ich mitfahren durfte – schon damals ein aussterbendes Reptil, das man in den achtziger Jahren nirgendwo mehr fahren sah.
Beim Blick aus dem Kinderzimmer gab es immer geschäftiges Treiben zu beobachten.
Ein Netzschkauer Fuhrunternehmer setzte als letzter bis Anfang der neunziger Jahre zwei alte Vomag-Lastwagen noch im täglichen Verkehr ein. (Foto: Klaus Schildkopf)
Doch da gab es auch noch ältere Spezies. So etwa einen alten Mercedes-Drehleiterwagen aus den Dreißigern, der als Feuerwehr längst ausgemustert sein Gnadenbrot bei den Elektrikern der Stadtbeleuchtung verdiente. Unvergeßlich, daß er noch die alten Winker besaß, was dem verschlissenen aber eleganten Wagen weitere Aufmerksamkeit bescherte. Ab und zu von der Schule kommend, war aber noch etwas viel Beeindruckenderes zu bewundern. Auf der formschönen Haube des gepflegten Lasters prangten die Lettern „VOMAG“ und zuhause nachgefragt, wurde mir erzählt, daß man die früher in Plauen gebaut hatte. Doch so wirklich Genaues wußte keiner über den einstigen vogtländischen Industriegiganten mehr, man schwieg sich lieber darüber aus, was in mir aber um so mehr Interesse hervorrief. Gern hätte ich mehr darüber erfahren, immer mit dem Gedanken, dieses schöne und längst aus der Zeit gefallene Auto müßte man doch irgendwie vor dem unvermeidlich drohenden Schneidbrenner bewahren!

Holten wir Mutter von der Arbeit ab, dann stand da unweit in einem sauber gemähten Grundstück, unter einer Plane immer nur als Silhouette erkennbar, eine große Pullman-Limousine der ausgehenden Zwanziger. Instinktiv dachte ich immer: Das ist bestimmt ein Horch und den müßte man haben. Erst ein Vierteljahrhundert später bestätigte sich meine kindlich-naive Vermutung, als ich den unrestaurierten aber gut erhaltenen Achtzylinder bei einem Sammler wiedertraf. Die sich in den 1980-er Jahren in der DDR langsam formierende Oldtimerszene lockte mit ersten Treffen und Wettbewerben, das „Bergrennen“ in Mühlwand nahe Reichenbach war willkommene Gelegenheit, imponierende Zeitzeugen automobiler Vorzeit in Aktion zu sehen. Mit viel Aufwand ergatterten meine Eltern für mich in der Deutschen Buchhandlung in Prag die begehrten Bücher von Dr. Kirchberg, die man bei uns nicht bekam und die ich mir abends abwechselnd mit der kleinen Prospektsammlung westdeutscher Marken verinnerlichte, die mein Vater mühsam als Jugendlicher auf der Leipziger Messe zusammengetragen hatte.

Mit 16 Jahren begann ich, mein erstes Buchprojekt in Angriff zu nehmen, zwei Jahre später hatte ich das Manuskript mit der Geschichte von Laurin & Klements ersten Anfängen bis zu Skoda der Gegenwart fertig. Jedes Kapitel zunächst per Hand als Konzept aufgesetzt, dann ins Reine geschrieben, um es letztlich mit Mutters Schreibmaschine fehlerfrei abzutippen. Als meine Eltern damit Anfang 1990 beim Transpress-Verlag für mich vorstellig wurden, waren plötzlich andere Zeiten angebrochen und der Verlagsleiter in Berlin sagte nur: „Skoda – das interessiert jetzt keinen mehr!“ Dafür aber konnte ich endlich über die VOMAG, über die man bis dahin in Plauen besser nicht sprach und schon gar nicht recherchieren durfte, anfangen zu forschen . . .

Ab Ende der siebziger Jahre formierte sich in der DDR langsam eine interessante Oldtimerszene, die mit mittlerweile gut besuchten Treffen – wie hier auf dem Zwickauer Hauptmarkt – aus der Nische belächelter „Spinner“ herauskam und nach heutigen Maßstäben einmalige Schätze dem breiten Publikum in Aktion präsentierte. (Fotos: Helmut Potzka)
Beim Einfahren meines inzwischen längst fertig restaurierten Vomag-Fünftonners von 1940. (Foto: Ralf Weinreich)

Drei Jahrzehnte später ...

kann ich nun auf zahlreiche Publikationen zurückblicken, zwei davon mit dem begehrtesten internationalen Buchpreis dieser Branche prämiert. Ich habe das einzig nennenswerte Archiv zur Plauener Vomag zusammengetragen, mit in jeglicher Beziehung einmalig umfangreichem Fundus, der sich von mehreren Tausend Fotos über Prospekte, immerhin vier Komplettfahrzeuge, dem einzigen Ersatzteillager bis hin zum Besitz der Markenrechte erstreckt (siehe auch unter www.vomag.com). Nicht nur nebenbei entstand zudem das wohl umfangreichste aber zumindest thematisch abgeschlossenste Privatarchiv zum Automobilbau der DDR und Ostblockstaaten. Darüber hinaus habe ich, auch durch Übernahme von Beständen namhafter Sammlungen und Historiker, eines der wichtigsten Privatarchive generell zum deutschen Automobilbau aufgebaut. Besondere Vorliebe empfinde ich im Gegensatz zum Mainstream für kleine und oft längst verblichene Automobilmarken und Karosseriebauer. Daß aus meinem Fundus, zu dem eine Reihe einmaliger Firmennachlässe zählen, bereits zahlreiche Publikationen entstehen konnten, verdeutlicht die folgende Aufstellung. Neben dem mit meinem Freund Ralf Weinreich 2004 gegründeten Verlag Kraftakt bin ich nunmehr auch mit diesem Label dabei, künftig interessante Facetten des Automobilbaus ins Gedächtnis zurück zu bringen. Freuen Sie sich also auf weitere Veröffentlichungen, bei denen Herzblut und Tradition die Treibkraft sind und darauf warten, für Sie aufbereitet zu werden . . . !

Ihr Christian Suhr